Sinnvolle und unsinnige Laboruntersuchungen

Wann sind Laboruntersuchungen sinnvoll?
     Untersuchungen von Blut oder auch Urin sind dann sinnvoll, wenn Ihre Ärztin oder Ihr Arzt Antworten auf eine bestimmte Fragestellung finden möchten. Für eine Blutentnahme sollte es also eine sog. Indikation geben. Bestehen beispielsweise ungeklärte Krankheitssymptome, der Verdacht auf eine bestimmte Erkrankung oder die Gefahr für eine bestimmte Komplikation, dann werden mit einer Blutuntersuchung (oder Urinuntersuchung) nur die Laborwerte bestimmt, die geeignet sind, in diesen Fällen sinnvolle Informationen zu liefern. Andere Laborwerte, die nicht der Beantwortung einer bestimmten Fragestellung dienen, sollen nicht bestimmt werden.
     Soll eine beispielsweise starke lang andauernde Müdigkeit abgeklärt werden, bestimmt Ihre Hausärztin/Ihr Hausarzt bestimmte Blutwerte, die laut ärztlichen Leitlinien dafür geeignet sind und nicht „alles Mögliche“. Es ist beispielsweise nicht hilfreich, hier alle denkbaren Vitamine und Spurenelemente im Blut zu untersuchen, um irgendeinen „Mangel“ zu finden.
     Wenn der Verdacht auf eine Nierenerkrankung vorliegt, werden sog. Nierenwerte bestimmt. Haben Sie Symptome einer Blutarmut (Anämie), werden zunächst die roten Blutkörperchen, der rote Blutfarbstoff und der Eisenspeicher (Ferritin) untersucht. Abhängig von diesen Ergebnissen, werden weitere Laborbestimmungen angeordnet.

Welche Laboruntersuchungen sind unsinnig oder sogar schädlich?
     Laboruntersuchungen, die „einfach mal so“ ohne eine bestimmte Fragestellung durchgeführt werden, sind unsinnig. Viele Menschen suchen ihre Hausarztpraxis auf und fragen nach umfassenden Laboruntersuchungen, nur um zu wissen, ob alles in Ordnung ist. Jeder im Blut durch bestimmte Laboruntersuchungen gemessene Wert kann eine oder mehrere gezielte Fragestellungen beantworten und sollte auch nur hierfür untersucht werden.

Kosten
     Die Kosten für Blutuntersuchungen, die in der Hausarztpraxis ohne medizinischen Grund, also ohne Indikation, durchgeführt werden, werden nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Die Kosten hierfür müssten Sie also selbst tragen. Über die Indikation entscheiden die behandelnden Ärzte.

Ohne Indikation und ohne Konsequenz
     Es gibt viele Laborergebnisse, die bei Gesunden und Kranken verändert sein können. Bestimmt man Werte bei beschwerdefreien Personen ungezielt und ohne besondere Verdachtsdiagnose, können anomale Laborergebnisse zu unnötiger Verängstigung und überflüssigen Folgeuntersuchungen bei Gesunden führen. Hier können also unsinnige Laboruntersuchungen sogar schädlich sein. Beispielsweise ist der sog. Rheumafaktor (RF) bei 5 % der Bevölkerung nachweisbar, aber nur 20–25 % dieser Personen leiden tatsächlich an einer rheumatoiden Arthritis (Rheuma).
     Dasselbe gilt auch für Blutwerte, deren Veränderung keine ärztliche Konsequenz nach sich zieht, z. B. die Bestimmung der Blutgruppe ohne besonderen Anlass. Sollten Sie jemals Blut spenden oder selbst eine Bluttransfusion benötigen, wird Ihre genaue Blutgruppe sorgfältig bestimmt. Als Blutspender erhalten Sie einen Blutspende-Ausweis. Bei Schwangeren wird die Blutgruppe bestimmt und in den Mutterpass eingetragen.
     Auch die Untersuchung von Entzündungswerten bei einer akuten Infektion der oberen Atemwege (Erkältung) oder einer akuten Entzündung der Rachenmandeln (Tonsillitis) ist nicht sinnvoll, weil erhöhte Werte nicht bedeuten, dass eine Therapie mit Antibiotika notwendig ist. Wenn Sie an einer Grippe erkrankt sind, ist es nicht nötig, einen Abstrich zum Virusnachweis zu entnehmen, weil das Ergebnis keine Konsequenz hat. Egal, welcher Virustyp ihre Erkrankung ausgelöst hat, die Behandlung erfolgt symptomatisch, also z. B. mit Fiebersenkern und Schmerzmitteln.

Engmaschige Kontrollen oft unsinnig
     Engmaschige Kontrollen bestimmter Werte können ebenfalls sinnlos und schädlich sein. Beispielsweise ist es nach Einschätzung der Fachgesellschaft der Allgemeinärzte (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, DEGAM) nicht sinnvoll, nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall das „schlechte“ Cholesterin LDL regelmäßig zu kontrollieren, wenn Fettsenker (Statine) eingenommen werden. Betroffene können sich unter starken Druck gesetzt oder entmutigt fühlen, wenn der Wert nicht sinkt oder sogar ansteigt. Häufige Blutkontrollen können außerdem belastend sein. Dabei gibt es keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass eine medikamentöse Senkung des LDL-Wertes medizinisch sinnvoll ist. Es ist allerdings gut belegt, dass eine Einnahme von Statinen das Überleben nach Herzinfarkt oder Schlaganfall verbessert.

Normalbereich/Referenzbereich
     Der Normbereich bzw. Referenzbereich für Laborwerte ist der Bereich, in dem 95 % aller bei gesunden Menschen gemessenen Werte liegen. Beispielsweise liegt der Normbereich für das Schilddrüsenhormon freies Thyroxin (fT4) zwischen 0,9 und 1,7 ng/dl. Das heißt also, dass 5 % der bei gesunden Personen gemessenen Werte außerhalb dieses Bereiches liegen. Dies ist einer der Gründe dafür, dass Laborwerte außerhalb des Referenzbereiches nicht gleich für eine Krankheit sprechen müssen.
     Es gibt aber auch Laborwerte, die sich beispielsweise durch körperliche Anstrengung verändern können, z. B. der Leberwert GPT, oder durch Verwendung eines bestimmten Laborröhrchens zur Blutentnahme, z. B. die Thrombozytenzahl (Blutplättchen). Auch bestimmte Medikamente können ein Laborergebnis verfälschen, z. B. das Schmerzmedikament Metamizol den Nierenwert Kreatinin.

Welche Laboruntersuchungen gibt es und wozu sind sie gut?
     Es gibt eine unüberschaubare Anzahl an Laborwerten, die bei bestimmten Fragestellungen untersucht werden können. Sie umfassen die in der ärztlichen Routine häufig untersuchten Laborparameter, wie z. B. Leberwerte, bis hin zu speziellen Gentests oder Marker bestimmter seltener Tumorerkrankungen.
     Bei einer Laboruntersuchung sollte immer klar sein, was man wissen will und warum. Häufige in der Hausarztpraxis bestimmte Labortests sind beispielsweise:

Kleines Blutbild
     Anders als viele denken, ist ein Blutbild keine komplette Untersuchung aller möglichen Laborwerte, sondern eine Untersuchung und Zählung der roten und weißen Blutkörperchen sowie der Blutplättchen (Gerinnungszellen). Hierbei werden auch der rote Blutfarbstoff (Hämoglobin) sowie Größe, Form, Gesamtvolumen und Aussehen der roten Blutkörperchen bestimmt.
     Ein Blutbild wird beispielsweise angefordert, wenn der Verdacht auf eine Blutarmut (Anämie) besteht.

Großes Blutbild
     Hier handelt es sich nicht um eine noch umfassendere Untersuchung von vielen Laborwerten. Beim großen Blutbild werden zusätzlich zu den Parametern des (kleinen) Blutbilds noch die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) typisiert und die unterschiedlichen Formen gezählt, also die neutrophilen, eosinophilen und basophilen Granulozyten sowie Lymphozyten und Monozyten.
     Ein großes Blutbild kann beispielsweise bei der Feststellung eines Pfeifferschen Drüsenfiebers (Mononukleose) hilfreich sein.

Entzündungswerte
Blutsenkung (BSG), CRP, Procalcitonin Untersuchung bei Verdacht auf Entzündungen oder Infektionen mit Bakterien (Procalcitonin, CRP) oder Viren (CRP) sowie rheumatische oder Tumorerkrankungen (BSG)
     Die Blutsenkung heißt mit vollem Namen Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit. Bei entzündlichen Vorgängen aller Art im Körper sinken Blutzellen in einem schmalen Blutröhrchen schneller nach unten als sonst üblich. Die BSG kann nur einen Hinweis geben, dass im Körper eine Entzündung stattfindet. Was für eine Entzündung das genau ist, kann mit der BSG nicht festgestellt werden. Dieser Laborwert ist also unspezifisch.
     Entzündungswerte (CRP) können auch zur Verlaufskontrolle, z. B. bei einer Lungenentzündung, angewendet werden. Wenn der Wert sinkt, spricht das für ein Abklingen der Erkrankung und eine Wirksamkeit der eingenommenen Antibiotikatherapie.

Eisen
     Um bei einer Blutarmut einen Eisenmangel als Ursache festzustellen, wird im Blut nicht das Eisen an sich bestimmt, sondern der Eisenspeicher Ferritin.
     Hiermit können genauere Aussagen getroffen werden. Ist Ferritin erniedrigt, besteht ein Eisenmangel, z. B. bei chronischem Blutverlust durch eine unbemerkte Blutung im Magen-Darm-Trakt.

Leberwerte
Es gibt unterschiedliche Leberwerte, mit denen die Gesundheit der Leberzellen (GPT, GOT), der Galleabfluss (AP, Gamma-GT, Bilirubin) oder die Funktion der Leber (Albumin, INR, Cholinesterase) untersucht werden können.
     Leberwerte werden bestimmt, um auszuschließen, dass beispielsweise eine Lebererkrankung oder eine leberschädigende Medikamentennebenwirkung besteht.
     Außerdem können Leberwerte herangezogen werden, um den Verlauf einer Lebererkrankung zu überwachen.

Nierenwerte
Die Gesundheit und Funktion der Nieren kann durch den sog. Nierenfunktionsparameter Kreatinin eingeschätzt werden. Mithilfe von Formeln kann die Nierenfunktion auf der Basis von Kreatinin berechnet werden. Manchmal ist es auch nötig, die Ausscheidung des Eiweißstoffes Albumin zu bestimmen.
     Die Nierenfunktion kann beispielsweise bei Personen mit Bluthochdruck oder Diabetes eingeschränkt sein. Bei diesen Betroffenen sollten die Nierenwerte bestimmt und kontrolliert werden.

Cholesterin
     Zur Bestimmung des Lipidprofils gehören das Gesamtcholesterin, das LDL (Low-Densitiy-Lipoprotein) und das HDL (High-Density-Lipoprotein) sowie die Triglyzeride.
     Bei einer Fettstoffwechselstörung können Triglyzeride, Gesamtcholesterin und LDL erhöht sein und das HDL erniedrigt.
     Das Lipidprofil wird im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung (Check-up) bestimmt.
     Außerdem sollte das Lipidprofil beispielsweise bei Betroffenen nach Schlaganfall, Herzinfarkt oder mit Verengung der Halsschlagader (Karotisstenose) oder Durchblutungsstörungen an den Beinen (PAVK) untersucht werden.
     Bei Personen mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollte ebenfalls das Lipidprofil bestimmt werden, also bei Raucher, Personen mit Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht oder Schlaganfall/Herzinfarkt bei Verwandten ersten Grades.
     Wie oben bereits erläutert, sind engmaschige Kontrollen des LDL-Wertes unter Therapie mit Cholesterinsenkern (Statinen) nicht sinnvoll.

Zucker
     Der Blutzucker (Glukose) wird in der Regel bestimmt, wenn der Verdacht auf einen Diabetes mellitus Typ 2 besteht oder beispielsweise Schwangerschaftsdiabetes ausgeschlossen werden soll.
     Außerdem kontrollieren Diabetes-Betroffene, die Insulin anwenden, ihren Blutzucker selbst.
     Der HbA1C („Langzeitzuckerwert“) spiegelt die mittlere Blutzuckerkonzentration der letzten 6–8 Wochen wider.
     HbA1c spielt als Ausgangswert wie auch bei der Verlaufs- und Therapiekontrolle von Diabetes mellitus eine wichtige Rolle.

Schilddrüsenwerte
     Bei Verdacht auf eine Schilddrüsenfunktionsstörung (Über- oder Unterfunktion) reicht die Bestimmung des TSH-Wertes aus (Steuerhormon der Schilddrüse).
     Bei erhöhtem (Unterfunktion) oder erniedrigtem (Überfunktion) TSH-Wert können weitere Werte bestimmt werden, z. B. das Schilddrüsenhormon fT4 und Antikörper gegen Schilddrüsenstrukturen.
     Beim Beginn der Behandlung einer Schilddrüsenunterfunktion (z. B. Hashimoto-Krankheit) mit Schilddrüsenhormonen (Levothyroxin) sollte das TSH zur Dosisfindung frühestens nach 8 Wochen kontrolliert werden.
     Bei stabiler Behandlung mit einer bestimmten Dosis reichen halbjährliche bis jährliche Kontrollen. Häufigere Kontrollen sind nur bei Dosisänderungen notwendig.

Vitamin D
     Vitamin-D wird durch Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet und im Magen-Darm-Trakt aus Vitamin-D-haltiger Nahrung aufgenommen.
     Ein Mangel entsteht primär durch eine zu geringe Sonnenlichtexposition und/oder eine zu geringe Aufnahme aus dem Darm.
     Bei einem Großteil der gesunden Bevölkerung in Deutschland besteht kein relevanter Vitamin-D-Mangel, sodass eine Spiegelbestimmung und Einnahme nicht erforderlich sind.
     Obwohl darüber viele unterschiedliche Informationen kursieren, ist bisher nicht ausreichend erforscht, ob ein Vitamin-D-Mangel zu einem erhöhten Risiko für chronische Erkrankungen wie Krebs, Autoimmunerkrankungen, Typ-2-Diabetes, Herzerkrankungen und Bluthochdruck, Infektionskrankheiten, Arthrose oder Depressionen beiträgt.
     Genausowenig ist wissenschaftlich belegt, dass eine vermehrte Einnahme von Vitamin D vor verschiedenen Krankheiten schützt, wie Krebs, Diabetes, Herzkrankheiten, Multiple Sklerose oder Demenz.
     Schwerer Vitamin-D-Mangel kann bei Kindern zu Rachitis und bei Erwachsenen zu Knochenschwäche (Osteomalazie oder Osteoporose) führen.
     Eine Messung des Vitamin D-Spiegels sollte nur bei Verdacht auf einen erheblichen Mangel, z. B. bei Osteomalazie oder bei Risikopersonen mit geringer Sonnenlichtexposition (z. B. Menschen in Pflegeeinichtungen) erfolgen, ansonsten wird die Untersuchung nicht von der Gesetzlichen Krankenversicherung getragen.